Europas Schützengräben

Überschrift aus Portugals Zeitschrift "VISÃO"

Verehrte Mitglieder und Freunde der BfH, verehrte Hohner,

ich wehre mich dagegen, hier Bilder zu veröffentlichen von zerfetzten oder ertrunkenen Kindern, um Hilfe für Flüchtlinge zu erlangen. Angeblich ist die Hilfsbereitschaft groß. Überall entstehen Zelt- und Containerstädte, kleinere und größere. Menschen tragen Decken, Bekleidung, Spielzeug und Lebensmittel dorthin oder an die Bahnhöfe, wo heute (5. Sep. 2015), am internationalen Tag der Freundschaft, wieder tausende Menschen aus Ungarn in Bayern ankommen. Warum veröffentlicht die Presse dann weiter solche Fotos?

Wahrscheinlich für Politiker wie David Cameron oder den kanadischen Premier. Beide erklärten sich jetzt bereit, dass ihre Länder ein paar hundert oder vielleicht auch ein paar tausend Flüchtlinge aufnehmen wollen, angeregt durch Petitionen aus der Bevölkerung, die wiederum eine Reaktion sein sollen auf das Bild eines einsam ertrunkenen kleinen Jungen am Strand. Ich lasse es dahingestellt, ob das Bild auch die beiden Herzen der Staatsführer erweichen konnte. Fakt ist, dass England in Europa zu den wirtschaftlich stabilsten Ländern gehört und deshalb durchaus in der Lage ist, Flüchtlinge aufzunehmen, anders als Portugal.

In Portugals Süden, bei Faro, entsteht gerade eine Zeltstadt für ca. 2.500 Flüchtlinge. Das scheint so wenig angesichts der Tausenden, die nach Deutschland fliehen. Doch es bedeutet weitere Hoffnung. Eine EU, die Waffen in Krisengebiete liefert und zu Kriegen schweigt, um dann, wie in Ungarn, hilflos auf die daraus resultierenden Flüchtlinge einzuprügeln, das ist nicht die EU, die ich mir immer vorgestellt hatte. Diese Ungarn- EU ist wie das "große" Bankensystem: unmenschlich und profitgierig. Und wenn die Flüchtlinge auf Befragen antworten, sie wollen zu "Mom" Merkel, sagt das ungeheuer viel aus. Unsere deutsche Kanzlerin, Mutti Merkel, wie sie auch in der BRD genannt wird, ist die Hoffnung dieser tausenden Menschen. Deutschland als Hoffnung für viele tausend Andersgläubige aus einem uns fremden Kulturkreis zeigt, dass unsere heutige Heimat viel mehr ist, als ein politisch zerstrittenes Land. Wir können uns einig sein! Sieht man mal von den, zum Glück, wenigen aggressiven Rechtsradikalen ab, die leider immer wieder zündeln, sieht sich das Land vor einer bis dato einmaligen Herausforderung: dem Schutz und der Integration zigtausender Menschen. Keine deutschen Um- oder Übersiedler, keine Flüchtlinge aus der DDR, nein, Flüchtlinge, die unsere Sprache nicht sprechen und unsere Kultur nicht kennen. Das zeigt, wie weit sich Deutschland entfernt hat von der Vergangenheit des tausendjährigen Reiches. Es ist heute eine Hoffnung für Europa, auch wenn sich, leider, deutsche Firmen immer noch, von der Politik in Berlin unterstützt, in Waffenexporten üben.

Portugal nimmt schon lange stillschweigend die Menschen aus den ehemaligen Kolonien auf, ohne Presserummel oder entsprechende Darstellung in der EU. Da gibt es natürlich bisher keine Sprachschwierigkeiten. Ich lernte in den letzten drei Jahren viele von ihnen kennen als ebenso liebenswert und fleißig wie die Portugiesen selbst. Wenn jetzt zu den Auswanderern noch Syrer und andere hinzukommen, ist das eine große Leistung für das Land in Südwesteuropa, welches sich immer noch aus dem heraus wuseln muss, was die Bankenkrise anrichtete. Die Portugiesen sind ein liebenswertes Volk, das international eine hohe Anerkennung genießt, was den Umgang mit Auswanderern und Flüchtlingen angeht. Auch wenn es nicht über die Wirtschaftskraft Deutschlands verfügt, wird es Syrer, Afghanen und andere freundlich willkommen heißen. Schon jetzt engagieren sich Privatpersonen, um für die Flüchtlinge leer stehende Häuser und Wohnungen zu finden, damit sie schnell die entstehende Zeltstadt bei Faro verlassen können.

Doch was wird aus Europa?

"VISÃO" schrieb dazu:

Europa versucht, Probleme zu überwinden, aber nicht, sie zu lösen. Um den EURO zu bekommen, sind die Länder aus ihren Gräben gesprungen, wo ihre Souveränität und ihre Landeswährung sie schützten. Sie wagten den Sprung in die gemeinsame Währung, sind aber nicht unversehrt gelandet, sondern ins Kreuzfeuer mächtiger Dritter geraten..... Trunken von der Idee des geeinten Europas haben sie Äpfel kalibriert, Kfz- Kennzeichen vereinheitlicht und sogar die Staatsgrenzen aufgelöst. Aber auf dem Schlachtfeld von Wirtschaft und Finanzen blieben sie im Schlamm stecken. Die Feldherren waren zu feige, sich zu bewegen, sei es, um die Einheit zu erweitern, sei es, um sich zurückzuziehen und die Strategie zu überdenken.... Die Länder haben ihre Souveränität verloren, ohne gelernt zu haben, wie man mit den neuen Bedingungen lebt.... Jetzt befinden sich alle in dem Niemandsland zwischen allen Schützengräben, von allen Seiten dem Sperrfeuer ausgesetzt. Die Griechen hats getroffen....

"Expresso online" schrieb unter der Überschrift "Es brennt im Haus Europa":EuropaEuropa

Europa hat sechs Monate lang ein Tauziehen mit Griechenland veranstaltet wegen einer Summe, die einen Bruchteil dessen ausmacht, was Portugals Steuerzahler im Jahr 2008 nach dem betrügerischen Bankrott der Privatbank BPN für deren Verstaatlichung zahlte.... In welchem Moment haben sie (die griechischen, portugiesischen, spanischen, kurz südeuropäischen Menschen) sich falsch verhalten? Als sie einen zweiten Fernseher kauften? Als sie sich für eine schönere Wohnzimmereinrichtung entschieden? Ist das die sogenannte Verschwendungssucht? Gibt es ein Gesetz, das verbietet, den eigenen Kindern ein Leben zu ermöglichen, wie es die Kinder des Chefs führen? Das hat alles nichts mit "Über seine Verhältnisse leben" zu tun! .... Portugal zahlt für jeden EURO, den der IWF geliehen hatte, drei EURO zurück.

Was hat das mit Solidarität zu tun, zumal Portugal zur Rettung der Banken gezwungen wurde und dadurch sich "maßlos" überschuldete? Europa wackelt schon wegen dieser ökonomischen Fragen. Doch jetzt wankt es wegen der hinzukommenden Flüchtlingsfrage. Warum?

Weil Länder wie Ungarn oder Polen zwar Gelder aus der EU gern in Empfang nehmen, aber die Lasten nicht teilen wollen. Dabei schrie gerade Polen laut "hier", als es darum ging, die USA im Irakkrieg zu unterstützen, was unter anderem die heutigen Flüchtlingsströme mit verursachte. Auch die osteuropäischen Länder sprangen enthusiastisch aus ihren Schützengräben und finden sich heute im Sperrfeuer wieder. Kommissionspräsident Juncker will Strafzahlungen einführen für EU- Länder, die keine Flüchtlinge aufnehmen. Das kann keine Lösung sein und ist Ausdruck purer Hilflosigkeit. Auch in Frankreich und den Niederlanden hält man sich zurück: Keine Zeltstädte, dafür Flüchtlinge unter Brücken. Der finnische Ministerpräsident dagegen will Flüchtlinge in seinem Haus aufnehmen und so mit gutem Beispiel vorangehen. Leider ist sein Haus sehr klein. Ganz anders die Villa der grünen stellvertretenden Bundestagspräsidentin. Da könnten, sagen wir mal, gut und gern 8 Zimmer Flüchtlingen zur Verfügung gestellt werden. Doch Claudia Roth achtet heute auf ihren Status, nicht mehr so sehr auf die frühere grüne Politik.

Die EURO- Krise ist noch nicht überwunden, da bringen die von Europa mit verursachten Flüchtlingsströme das wankende Haus mächtig ins Schaukeln. Wie lange hält es noch stand? Was können wir leisten? Was ist uns selbst, ganz persönlich, das Haus Europa wert? Welche Werte soll Europa vertreten? Die Werte der Banken oder menschliche Werte? Welche Prioritäten wollen wir setzen? Abschottung mit Stacheldraht wie in Ungarn, Waffenexporte für umstrittene Kriege und neue Flüchtlingsströme oder Schaffung lebenswerter Umgebungen überall auf der Welt?

In Rendsburg jedenfalls waren bereits 566 Flüchtlinge im Containerdorf an der Büsumer Straße angekommen. Mit 800 rechnet der Kreis, aber genaue Zahlen weiß man nicht. Wahrscheinlich werden es mehr angesichts des heutigen Stroms aus Ungarn. Zu den Containern gehört auch ein Sanitätscontainer, den die Klinik dort aufbaute. Auch in Rendsburg hilft die Bevölkerung und geht sehr fair mit den Flüchtlingen um. Da die jetzt dort wohnenden Asyl suchenden Menschen ganz sicher im Kreis weiter verteilt werden, wird Hohn sicher weitere Menschen aufnehmen müssen. Im Dorf findet sich bisher ebenfalls große Hilfsbereitschaft. Die Situation bedeutet eine Herausforderung für unsere Herzen.

Von der Sitzung des Planungsausschusses am 3. September gibt es dagegen nichts Berichtenswertes, leider.

Mit freundlichen Grüßen

Dipl.- Ing. Sylke Wegener