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Der Islamische Staat entsetzt die Welt, zumindest die sogenannte "zivilisierte" Seite. Angesichts der aktuellen Betrachtungen unter "Dies und Das" sollen hier einige Hintergründe beleuchtet werden. Heutzutage werden kaum noch Ursachen wirklich analysiert und, vor allem, zwischen Ursachen und Anlass einer Krise oder geschichtlichen Entwicklung unterschieden. Ein Anlass kann nichtig sein und ist immer ein kurzzeitiges Ereignis, während sich Ursachen vielschichtig über einen längeren Zeitraum entwickeln. Politisch dürfte es immer ein Fehler sein, auf die Anlässe zu reagieren ohne die Ursachen zu erkennen und zu beseitigen. Vielfach müsste man dann feststellen, dass wir hilflos sind, weil wir genau die Ursachen nicht beseitigen können. Sie liegen außerhalb unserer tatsächlichen Macht und damit außerhalb unserer Zuständigkeiten. Diese Hilflosigkeit ist schwer zu ertragen. Doch was bewirkt sinnloser Aktionismus? Zumeist nur eine Zuspitzung der Lage insgesamt. Deshalb heute einmal einige Hintergründe zur aktuellen Auseinandersetzung mit dem islamischen Staat.

Die Auseinandersetzungen im Nahen Osten, Araber untereinander

von Dipl.- Ing. Sylke Wegener

Es ist sicher schon eine Binsenwahrheit, wenn jemand feststellt, dass sich die Araber noch nie einig waren. Zum Glück, möchte man sagen, denn sonst hätte Israel wohl nie wirklich eine Überlebenschance gehabt. Doch warum sind sie sich uneinig und weshalb findet heute diese äußerst brutale und blutige Auseinandersetzung mit dem Islamischen Staat statt?

Zunächst befindet sich der Nahe Osten immer noch auf einer Entwicklungsstufe, die dem europäischen Mittelalter entspricht, auch wenn es durch die Erdöleinnahmen und die weltweite Herrschaft des Kapitalismus überdeckt wird. Die vorherrschende Denkweise ist nach wie vor eine stammesvebundene mit vielen Stammesführern, Emiren oder Scheichs, die immer wieder untereinander im Zwist liegen, sei es um Stammesgebiet, Weidegründe, Einflussnahmen oder (heute) das Erdöl. Dabei kollidieren sie zunehmend mit den sogenannten "globalen" Interessen des Westens, die sich schließlich in allen arabischen Auseinandersetzungen widerspiegeln und die unsere Nachrichten bestimmen. Dabei gehen die innerarabischen Ursachen der heutigen Auseinandersetzung unter und es fällt den Regierenden leicht, Hilflosigkeit mit Aktionismus zu überspülen und dem Volk, auch dem deutschen, weiß zu machen, dass es aus humanitären Gründen nicht anders geht, als Waffen zu schicken und Bomben zu werfen. Doch hilft das wirklich?

Desweiteren befinden sich nicht nur die Strukturen auf einer mittelalterlichen Entwicklungsstufe. auch die Religion, der Islam, ist 700 Jahre jünger als das Christentum, also vergleichsweise in seiner Entwicklung entsprechend in unserem 14. Jahrhundert, wenn man so will. Damals war die abendländische Religion durchaus sehr kriegerisch und von dem Geist beseelt, die "Lehre Gottes" überall auf der Welt zu verbreiten. Aus dieser Haltung heraus wurde Portugal zu einem Land der seefahrerischen Entdeckungen. Das Geld dafür erhielt Heinrich der Seefahrer vor allem vom Christusorden, dem er vorstand, übrigens als erster und einziger nichtkirchlicher Würdenträger. Der Christusorden entstand aus den von Rom verfolgten und verbotenen Templern, die in Portugal mit ihren Reichtümern sozusagen in der Illegalität verschwanden, um dann Jahre später wieder aufzustehen mit dem Ziel der Verbreitung des christlichen Glaubens über die ganze Welt.

Was in Europa über mehrere Jahrhunderte Entwicklung erforderte, vollzieht sich im Nahen Osten heute etwas schneller. Ursache dafür ist die Entwicklung der Produktivkräfte in der christlichen Welt, die natürlich auf die arabischen Staaten ausstrahlt und von ihnen genutzt wird. So verzeichnen wir aktuell einen Islam, der sich über die Welt verbreiten will, wie das Christentum im Mittelalter. Wir verzeichnen aber auch eine Spaltung des Islam, wie sie ebenfalls im Christentum mit Martin Luthers Thesenanschlag an der Tür der Schlosskirche in Wittenberg begann. Damals unter den Christen wie in den letzten Jahrzehnten im Islam entwickelten sich zwei große Zweige der Kirche: die Katholiken und Protestanten wie die Sunniten und die Schiiten. Katholiken und Protestanten führten harte Auseinandersetzungen darüber, wer der wirkliche Christ ist, welche Anschauung der Religion, welche Auslegung die einzig wahre wäre. Diese Auseinandersetzungen wurden durchaus kriegerisch geführt, ging es doch auch um Macht z.B. des Kaisers des römischen Reiches teutscher Nation. Es vermischte sich also schon damals im europäischen Mittelalter Religiöses und Weltliches, genau wie heute im Nahen Osten. Sowohl die Sunniten als auch die Schiiten behaupten von sich, den "wahren" Islam zu vertreten und kämpfen dabei um Einflußsphären.

In Deutschland wurde zu Lutherzeiten der Deutsche Bauernkrieg geführt, der weite Teile Mitteldeutschlands verwüstete und eine Hungersnot zur Folge hatte. Die Glaubens- wie Machtauseinandersetzung eskalierte schließlich im Dreißigjährigen Krieg, der eine Vielzahl von Kriegen umfasste. Anlass war der Prager Fenstersturz, als Vertreter der protestantische Stände, also des sich entwickelnden Bürgertums, den katholischen Herrschervertreter aus dem Fenster der Prager Burg warfen. Die Ursachen waren andere, sich länger entwickelnde Probleme zwischen Staat und Kirche und innerhalb der Kirche. Die Kriegsparteien gingen im Dreißigjährigen Krieg überhaupt nicht zimperlich miteinander um, ein Großteil der deutschen Bevölkerung kam ums Leben, darunter viele Zivilisten, Frauen, Kinder und Greise.

"Geschichte wiederholt sich nicht" behaupten einige Historiker. Ich sehe das etwas anders. Sie wiederholt sich nicht tatsächlich genau so, doch entsprechend bestimmter Entwicklungen gibt es durchaus "Wiederholungen". Wir werden in Europa keinen solchen dreißigjährigen Krieg mehr erleben, wie er im 17. Jahrhundert stattfand. Doch im Nahen Osten stellt sich mir durchaus die Frage, ob die im Islam und der Entwicklung der islamischen Staaten vonstatten gehenden Veränderungen sozusagen den heutigen islamischen "Dreißigjährigen Krieg" bedingten.

Bei einer solchen Betrachtung der Situation kommt man zwangsläufig zu anderen Schlussfolgerungen als unsere Politiker von Obama bis hin zu Merkel über Hollande u.a. So wie jeder Mensch muss auch jedes Volk seine Entwicklung selbst durchlaufen, muss seine Fehler machen dürfen und, vor allem, es muss sich auch seine Freiheit erkämpfen dürfen. Freiheit ist nicht exportierbar, nur erringbar. Sie kann nicht verschenkt, sondern muss errungen werden.

Deshalb sind wir so machtlos angesichts der brutalen Bilder aus dem Nahen Osten: Weil wir nicht helfen können, um die Ursachen der Auseinandersetzungen zu beseitigen. Humanitäre Hilfe ist sicher angebracht, Verurteilung der Untaten ebenfalls. Doch Waffenlieferungen und Bombardements lösen gar nichts. Wir können nur unsere eigene Freiheit hier in unserem Land, in Europa und den USA innerhalb unserer Grenzen verteidigen und weiter entwickeln. Es steht uns nicht zu, andere Völker mit Bomben oder Waffen "zu befreien". Die USA haben mit ihrem zweiten Irakkrieg ein empfindliches Gleichgewicht im Nahen Osten zerstört wie die Bombardements Lybiens dort ein herrschendes Gleichgewicht zerstörten, ohne dass ein Neues sich einstellte. Afghanistan ist ein weiteres Beispiel. Hinzu kommt die Inkonsequenz des Westens im Umgang mit dem "Freiheitsbegriff". Wenn islamistische Fanatiker Andersdenkende mit dem Schwert töten, finden wir das unmenschlich und skandalös, wenn in Saudi- Arabien und anderen arabischen Staaten, die "mit uns im Bett liegen", das ebenfalls gemacht wird, berichtet hier kein Mensch darüber.

Was könnten wir machen?

Schauen wir uns doch an, wie der Dreißigjährige Krieg endete: als beide Seiten erkannten, dass keiner gewinnen wird und alle durch die Verwüstungen geschädigt sind, fand man sich im Wiener Kongress zusammen und teilte die Einflusssphären politisch auf: Die katholische Kirche behielt ihre Macht in Südeuropa, die Lutherische in Nordeuropa. Eine Aufteilung, die heute noch vorherrscht. So teilte zuvor der Papst schon die "Neue" Welt zwischen Portugal und Spanien in einen östlichen portugiesischen Machtbereich und einen westlichen spanischen, damit die Streitereien zwischen diesen beiden Entdeckerländern endlich aufhörten. Auch das wirkt bis heute nach. Am Ende werden wir im Nahen Osten um eine entsprechende Lösung nicht herum kommen, sowenig es den Globalisten in unseren Regierungen und der Wirtschaft passt. Das wäre die Aufgabe des Westens als gezogene Lehre aus der eigenen Geschichte neben humanitärer Hilfe, wo möglich, und wirtschaftlichen Sanktionen gegen alle kämpfenden oder unterstützenden Parteien, um den Krieg zu beenden.